Wie alles begann

Alles fing total harmlos an, sodass es im Nachhinein kaum zu glauben ist, wie dieser schöne Sommertag Grundlage für eine jahrelang andauernde Leidenszeit werden konnte.

Es ereignete sich in einem idyllischen Luftkurort, irgendwo mitten in Hessen. Meine beste Ehefrau von allen (für die älteren Leser unter uns eine Anlehnung an Ephraim Kishon) und ich saßen im besten Eiscafé der Stadt und freuten uns über ein paar freie und sonnige Stunden. In diesem Augenblick konnte ich noch nicht ahnen, dass dies der teuerste Eisbecher meines Lebens werden sollte.

Fast gleichzeitig fielen meine und die Blicke meiner Frau auf ein großes Verkaufsangebot, das an der Mauer einer Volksbank direkt neben dem Eiscafé hing. Dabei handelte es sich um ein Mehrfamilienhaus nahe der Innenstadt in einer für uns sehr erfreulichen Preiskategorie. Und da fiel nun dieser verhängnisvolle Satz: „Lass es uns doch einfach mal anschauen!“ Noch Jahre danach haben meine Frau und ich uns gestritten, wer diesen Satz ausgesprochen hat. So hundertprozentig ließ es sich nicht mehr rekonstruieren, aber meine Frau hat sich schließlich darauf verständigt, dass ich den Satz gesagt habe.

Also nahm das Verhängnis seinen Lauf. Wir machten uns auf den Weg zu dem in der Nähe liegenden Maklerbüro. Der Makler war leider, Sie ahnen es schon, da und hatte Zeit für uns. Ich hege noch heute den Verdacht, dass er uns schon im Eiscafé aufgelauert hat und in einem unbemerkten Augenblick das Verkaufsangebot in unserer Blickrichtung aufhängte. Da saßen wir ihm also gegenüber und wurden Zeugen, wie uns das Objekt der Begierde als einmalige, nie wiederkehrende Kaufchance beschrieben wurde. Nun gut, wir waren zugegebenermaßen interessiert, und da der Makler nichts Besseres zu tun hatte, schlug er uns eine Spontanbesichtigung vor. Es war wie verhext – als hätte eine übernatürliche Macht das Wort NEIN aus unserem Sprachschatz gestrichen – und so trotteten wir folgsam unserem geschäftstüchtigen Makler hinterher. Auf den ersten Blick wirkte das Haus gar nicht mal so schlecht. Da war es auch fast unerheblich, dass vier der sechs Wohnungen aus unerfindlichen Gründen nicht besichtigt werden konnten. Sie hatten ja sowieso alle den gleichen Schnitt, also konnten wir uns auch so ein ausreichendes Bild machen.
Sieht man ein Objekt als Kapitalanlage, ist das eine ganz andere Sichtweise, als wenn man die Wohnung selbst beziehen möchte. Nun gehören wir zu der Gattung der schnell entschlossenen Menschen, und so trug es sich zu, dass wir zu einem Abschluss kamen, noch bevor sich das Wort NEIN wieder in unserem Sprachschatz einnisten konnte.

Wir hätten noch einmal die Gelegenheit gehabt, skeptisch zu sein, als der Notar, der die Immobilie kannte, uns eine Woche später bei Vertragsabschluss einen erheblichen Nachlass auf seine Dienstleistung anbot. Aber selbst diesem Wink des Schicksals mit dem Zaunpfahl haben wir in unserer Kapitalanleger-Euphorie nicht wirklich Beachtung geschenkt.

Das war´s dann auch mit geschenkt, denn von nun an sollte die Kapitalverbrennungsmaschinerie in Gang gesetzt werden und niemand konnte sie mehr stoppen.